Im Folgenden der Bericht zur Tour du Léman à l’Aviron, eine Regatta einmal um den Genfersee über 160km.
Zu Anfang sollte das übliche Regattavorgeplänkel stehen. Verpflegung kaufen, Bootstransport packen und nach Genf fahren. Doch irgendwie war dieses Jahr alles anders. Bereits Wochen zuvor wurde alles minutiös geplant. Angefangen von der Analyse wer wann wo wie viel trinkt, über wo welche Flaschen mit welchem Inhalt im Boot untergebracht werden, über wer wann an welcher Stelle im Boot sitzt bis hinzu wie welche Getränke gemischt werden und wann an welchen Flaschen die Aufkleber und Kunststoffbändchen von den Deckeln entfernt werden. Minutiöse Planung des Bevorstehenden!
Man erkannte ohne Frage, wir waren nervös und die Nerven lagen blank. Nach all der Energie, die wir in die Mannschaftssynchronisierung und das physische Training gesteckt hatten; nach all dem Aufwand, der in dem neuen Boot steckte, sollte es doch endlich zu einem top Ergebnis bei dem Wettkampf der Wettkämpfe im Marathonrudern, bei der Tour du Léman à l’Aviron reichen. Wenig hoffnungsstärkend auf einen der vorderen Plätze wirkten sich dabei die Meldungen der Konkurrenz aus. Gemeldet hatten keine minderen als die Rekordhalter bei der Regatta, die Schweizer Meister im Männer Doppelvierer, als auch die Mannschaft im BRG Rheinpfeil, die mit einer Besetzung des Ehepaars Jonischkeit, welches im Rudersport bereits mehrere Weltrekorde aufgestellt hat, und Tim Grohmann (Gold Männer Doppelvierer Olympia 2012) nebst zwei weiteren Leistungssportlern besetzt war. Für das notwendige Salz in der Suppe sorgten darüber hinaus starke Mannschaften aus Bonn sowie die Tour-Legende aus Ludwigshafen. Trotz all der Spannung wäre beinahe schon weit vor dem Start der Regatta alles vorbei gewesen. Durch die Gaffer, welche mal wieder die Augen nicht auf die Straße, sondern auf eine Verkehrskontrolle der Polizei richteten, kam der Verkehr auf der A5 plötzlich zum Erliegen. Unser Fahrer Uli reagierte sofort und brachte unser Gespann konstant kontrolliert verzögernd knapp hinter dem vorfahrenden LKW zum Stillstand. Der Fahrer eines schwarzen Sattelzuges hinter uns zu unserem Erschrecken nicht. Stefan, der gegen die Fahrrichtung saß, sah was auf ihn zukam und rief laut: „Das wird jetzt aber verdammt eng!“. Der LKW-Fahrer hinter uns war offenbar mehr mit sich selbst beschäftigt denn mit dem Steuern seines Fahrzeuges. Viel zu spät begriff er die Situation. Eine aggressive Vollbremsung folgte. Rauchende Bremsen, die Reifen bissen sich in den Asphalt! Das Führerhaus des LKW warf sich förmlich nach vorne unter dieser Verzögerung, doch es war zu spät. Der Fahrer machte das einzig Richtige, was noch richtig zu machen war und zog in die schmale Gasse zwischen uns und der Mauer der gerade beginnenden Standspur. Um Haaresbreite verfehlte er das Heck der Düsseldorf sowie unseren Anhänger und kam erst kurz vor der Achse des Anhängers zum Stehen. Ohne das Ausweichmanöver hätte er uns vermutlich die Deichsel des Anhängers bis zur vorderen Sitzreihe durch den neuen Bus von Watz gewuchtet. Über die Folgen möchte man liebe keine Gedanken verlieren. Ein Segen nur, dass genau wegen solch lebensgefährlich nachlässigen Fahrern Zwangsbremssysteme für LKW Pflicht werden!
Aufatmen, es ist gut gegangen und zurück zu dem eigentlich interessanten Geschehen. Trotz all der Konkurrenz hatten wir nicht vor, den Kopf in den Sand zu stecken, obgleich wir uns einig waren, dass wir unser eigenes Rennen fahren müssen und uns nicht auf einen Startsprint mit den Spitzenmannschaften einlassen können, schließlich zeigten die Erfahrungen bei der KCfW-Regatta, dass wir gegen die Sprintqualitäten dieser Mannschaften, die vermutlich irgendwo im Bereich der schnellsten Maus von Mexiko liegen, keine Schnitte haben würden. Wir verließen uns also auf den schon fast gefürchteten End“sprint“ unserer Mannschaft.
Am Samstagmorgen gab es wieder das altbekannte Skull-Mikado am Start, welches mancher der angetretenen Ruderer mit der Geduld eines Energydrink-trinkenden Eichhörnchens bestreiten würde. Ein Pulk von über 20 Booten wartete elektrisiert auf den Startschuss, bis auf eines. Um auch wirklich noch den letzten Tropfen aus der Blase zu drücken, kamen wir zum letztmöglichen Zeitpunkt an den Start. Gerade wendeten wir unser Boot in Startrichtung, da tönte die Ansage „eine Minute“ aus dem Lautsprecher. Um dem bevorstehenden materialfordernden Mikado so gut es geht aus dem Wege zu gehen, reihten wir uns hinter dem Rheinpfeil auf, statt uns in das Gedränge daneben zu begeben. Vielleicht würde uns der Sog deren Startsprints ein wenig mitreißen.
Startschuss! Wie eine wildgewordene Bullenherde tobten die Boote los. Mit der Startbesetzung, angefangen von Position 1., Stefan, Michi, Uli, ich, Stm. Watz konnten wir die volle Stärke unserer Mannschaft ausspielen. Während Uli und ich für die notwendige Ruhe im Schlag nach den ersten harten Beschleunigungsschlägen sorgten, brachten Michi und Stefan die Power aus dem Bug. Watz brachte das Boot mit scharfer Peilung auf Ideallinie ohne dabei anderen Booten zu nah zu kommen. Wer nun denkt, Watz hätte nicht den rechten Durchzug für den Start, liegt völlig falsch und ahnt noch nichts von dem Grund, warum wir so starteten.
Trotz allem nahmen nach zwei geruderten Kilometern 5 andere Boote vor uns die erste Boje. Doch wir bewahrten Ruhe und fuhren wie vereinbart stur unser Rennen, was sich schon bald auszahlen sollte. Bis zum ersten Wechsel hatten wir uns bis auf ein Bug an Bug-Duell mit dem BRV-Boot herangearbeitet. Zeit unseren Joker auszuspielen! Der Wechsel zwischen Watz und Michi. Obgleich es ein langer Wechsel war, Michi saß auf der 2, absolvierten die beiden den Wechsel in einer Geschwindigkeit, bei der selbst eine Springmaus neidisch werden könnte. Als der BRV-Steuermann seiner Mannschaft unseren Wechsel ankündigte und diese zu uns rüber schauten, saßen Michi und Watz bereits auf ihrer neuen Position und der erste Ruderschlag wurde gesetzt. Kaum mehr als eine Bootslänge kostete uns dieser Wechsel. Das Erstaunen im BRV-Boot war nicht zu übersehen. Obwohl im BRV die Überzeugung vorherrschte, wir könnten die Geschwindigkeit nicht durchgehend halten, musste sie uns nach ihrem eigenen Wechsel ziehen lassen. Die gut 50m Vorsprung, die wir während deren Wechsel ergatterten, wuchsen fortan kontinuierlich.
Als wäre das nicht genug Grund zur Freude, brachte uns unser Blitzwechsel in Schlagdistanz an das Ludwigshafener Boot heran. In der folgenden Stunde spielte sich ein brennendes Bord an Bord-Duell ab. Hier hieß es Ruhe bewahren und sich nicht vom Rhythmus des anderen Bootes beeinflussen lassen. Obgleich wir beim zwischenzeitlichen Wechsel wieder viele Meter gut machten, kämpfte sich die C-Line der Ludwigshafener unermüdlich an uns heran. Nach etwa 21 km fand dieses Duell seinen Höhepunkt bei dem im Nachhinein vielleicht folgenschweren Kontrollpunkt von Nyon. Schon fast traditionell liegt dieser Kontrollpunkt fernab der vom Veranstalter genannten GPS-Daten irgendwo dicht am Ufer. Wie schon so häufig war dieser schwer auszumachen, da ein hölzernes Motorboot genau in Sichtlinie davor lag.
Während die ersten drei Boote, die zu dem Zeitpunkt etwa 500 m vor uns lagen, diesen Kontrollpunkt nicht sahen und diesen mit gut 100 Meter Abstand verfehlten, sahen wir diesen noch. Dies zwang uns weg von der Ideallinie. Ein Problem war dabei das Duell mit den Ludwigshafenern uferseitig neben uns. Nicht einen Zentimeter wollten diese zurückstecken und ignorierten unsere Hinweise auf den Kontrollpunkt völlig. Keine Chance, wir mussten tun was zu tun war, mitten in der Regatta ein Vollstop unserer Düsseldorf um dann hinter unseren Mitstreitern zum Kontrollpunkt kreuzen zu können. Flüche raunten durch unser Boot. Egal, Konzentration und weiter. Etwa 100 Meter später dämmerte unseren Duellanten, dass wir nicht nur aus Scheu vor dem Wasser den Weg Richtung Land angetreten hatten, sondern dass dort ein Kontrollpunkt lag. Von diesem Fehler erholten sich die Ludwigshafener 5 nicht mehr. Sie kämpften zwar mit Biss, konnten aber nicht mehr zu uns aufschließen. Für uns hieß es keine Schwäche zeigen um den 4. Platz zu sichern und weiter den Druck hoch zu halten um nah an der Spitze zu bleiben. Vielleicht würde sich eine Mannschaft im an der Spitze entbrannten Dreikampf aufreiben. Wir wollten bereit sein diese Chance zu nutzen.
Es sollte noch einige Kilometer dauern, bis das völlig Unerwartete passierte. Ein weißes Ruderboot kam in Sicht, auf das wir deutlich aufholten. War dies die Mannschaft aus Vevey, bestehend aus den Schweizer Meistern im Doppelvierer, die sich an den beiden anderen Marathongiganten aufgerieben hatte? Erst als wir kaum mehr 200 Meter entfernt waren, konnten wir fassen, was wir dort sahen. Es war die Jet d’Eau mit den Rekordhaltern bei dieser Regatta. Im Boot waren wir uns zwar einig, dass wir gut unterwegs waren und auf Grund der Taktikänderung nicht der Einbruch wie im Vorjahr zu spüren war, aber es würde doch nicht reichen um auf eine solche Mannschaft derart aufzuholen. Kurz darauf die Gewissheit. Die Renngemeinschaft der Jet d’Eau hatte einen Ausfall zu verzeichnen. M. Neuman, der schwerste Ruderer des Teams, war krankheitsbedingt ausgefallen, so dass die Position 3 unbesetzt war. Bedauerlich, dass diese sympathische Mannschaft auf diese Weise den Kampf um die Führung aufgeben musste. Dennoch war deren Wille ungebrochen das Rennen, obgleich noch gut 100 km zu bestreiten waren, unterbesetzt zu Ende zu fahren.
Es waren also nur noch zwei Boote vor uns. Hochmotiviert passierten wir den Kontrollpunkt bei Montreux. Zu dem Zeitpunkt waren wir so schnell, dass unser GPS sogar eine Zielzeit von unter 12h avisierte. Auf der Strecke zwischen dem riesigen berühmten Baum im See und Le Bouveret vorbei an der Rhône-Mündung zerschlugen sich leider diese Hoffnungen. Die Tatsache, dass wir bereits in diesem Stück gleich schnell wie die führenden Boote waren, konterte dies nicht.
Um die Rückreise nach Genf an der französischen Uferseite des Sees anzutreten, knickte der Kurs bei Le Bouveret um gut 90° ab, eine gute Gelegenheit die führenden Boote eventuell zu erspähen. Stefan glaubte eines ausmachen zu können, ohne dabei zu erkennen, welches es sein könnte. Obgleich die prognostizierte Ankunftszeit nicht mehr besser wurde, verkürzten wir die Distanz auf die Spitze über den weiteren Rennverlauf, sodass wir noch deutlich vor Evian auch auf gerader Strecke ein führendes Boot am Horizont ausmachen konnten. Auf die so erstarkte Mannschaftsmotivation noch ein paar Kohlen aufzulegen und das vorausfahrende Boot anzugreifen, wurde mit unserem Kurzstop an einem alten Steinbruch auf die Probe gestellt. Leider ein Pflichtprogramm bei uns, was bisher nicht anders zu machen war. Nach der erfolgreichen Steindüngung, auf das noch Jahre schöne Steine wachsen sollen, nahmen wir wieder Fahrt auf. Das zuvor geortete Boot war wieder außer Sicht und schlimmer noch, ein nicht genauer zu identifizierender Verfolger war hinter uns wieder in Sicht gekommen.
Entschlossen den Zeitverlust wett zu machen nahmen wir wieder Fahrt auf. Alle im Boot spürten, diese kurze Unterbrechung war es wert. In der Tat zeigte die spätere Analyse der GPS-Daten, dass wir über die hier gewertete Etappe trotz der Unterbrechung die Durchschnittsgeschwindigkeit der führenden Boote halten konnten. Wir waren also wieder gut unterwegs. In der Folge verloren wir nach nicht all zu langer Zeit wieder die Sicht auf das Verfolgerboot und konnten bereits kurz hinter Evian wieder ein führendes Boot erspähen. Dennoch sollte es bis tief in die sogenannte Schweinebucht – der Name mag daher kommen, dass diese so schweinisch lang ist – dauern, bis die ganze Mannschaft realisierte, dass wir so dicht an ein führendes Boot herangekommen waren. Vielleicht war es der sprichwörtliche Tunnel, in den man sich angeblich bei so langer Zeit rudert, der verhinderte, dass uns das bereits früher klar wurde.
Watz am Steuer gab uns zu verstehen, dass uns von dem Boot, was nun als die Schweizer Meister aus Vevey identifiziert werden konnte, nur noch 300 Meter trennten. Als hätte dies nicht schon zur Genüge das Feuer der Kampfeslust in uns geschürt, waren die Reaktionen der Zuschauer am Kontrollpunkt noch treibender. Auf Watz gebrochen französische Frage, wo das führende Boot sei, zeigten die Zuschauer auf das direkt vor uns befindliche Schweizer Boot. 300 Meter trennten uns nicht nur von dem Boot sondern auch dem 1. Platz? Unglaublich! Wir wussten gar nicht recht damit umzugehen. Doch wo war die Rheinpfeil? Auch von einem Ausfall in der Mannschaft betroffen? Das Rennen abgebrochen?
Von Euphorie über die Aufholjagd getrieben ließen wir die Schweizer Mannschaft in der Innenkurve bei der Ausfahrt aus der Schweinebucht stehen. Diese Mannschaft hatte offenbar bis zuletzt gebissen, um sich gegen uns zur Wehr zu setzen, doch waren wir für sie nicht mehr zu halten. Auch ein Wechsel in unserem Boot und ein deutlich größerer Bogen aus der Bucht heraus, da der Kontrollpunkt nicht auszumachen war, änderten an der Situation nichts mehr. Wir lagen in Führung, oder doch nicht? Die Gesten von den Zuschauern auf den Anlegern, an denen wir vorbeifuhren, waren wenig aufschlussreich. So zeigte einer auf die Frage, wie viele Boote voraus seien, eine geschlossene Hand. Hieß dies Null?
Stefan war inzwischen auf den Steuerplatz gerückt und nutzte die Gelegenheit den Telefonjoker zu ziehen. Seine Freundin Katrin verfolgte das Rennen gespannt über die Live-Übertragung, welche die SNG installiert hatte. Hier wurde jedes GPS-Signal der im Rennen befindlichen Boote übertragen. Doch was war jetzt, Stefans Gesichtszüge verzerrten sich, wirkten angespannt und doch irgendwie traurig. Kurz danach tat er kund: „Vor uns ist nichts mehr!“. Jubelschreie, ungezügelte Euphorie, Freude, alles war dabei! Stefan zeigte also keine Trauer, ich blickte in ein Gesicht, auch wenn es von den zurückliegenden Strapazen angestrengt wirkte, welches von Euphorie übermannt wurde. Auch mir liefen die Tränen die Wangen runter. Sollte unser aller Traum wahr geworden sein, bei dieser Regatta mal den Gesamtsieg einfahren zu können? Was haben wir investiert! Ein neues Boot, mehrere Wochen und Wochenenden an Mannschaftstraining und ein Trainingszeitaufwand im zurückliegenden Jahr von rund 1000h bei dem ein oder anderen der Mannschaft. Wer sich das nicht recht vorstellen kann, lasse sich die folgenden Zahlen mal auf der Zunge zergehen. Es entspricht dem Zeitaufwand einer Halbtagsstelle oder anders im Schnitt mehr als 2,5 h pro Tag, Wochenenden, die Winterzeit und Feiertage inbegriffen. Wen wunderte da die Reaktion in unserem Boot?
Doch galt es sich zu sammeln! Immerhin waren noch mehr als 15 km zu absolvieren und die Position zu verteidigen und auszubauen. Die Schweizer Mannschaft durfte auf keinen Fall in Schlagdistanz bleiben, denn man wird nicht Meister über die Sprint“langstrecke“, wenn man nicht über entsprechenden Biss und Sprintqualitäten verfügt. Wir wollten nichts riskieren.
Bei all der Freude blieb der Verbleib der Rheinpfeil ungeklärt. Wo waren der Olympiasieger und die Jonischkeits mit ihrer Mannschaft? Hatten sie tatsächlich aufgegeben, weil jemand eingebrochen war? Gab es einen Bootsschaden? Wir wussten es nicht und dies ließ uns zweifeln. Wir waren im Ungewissen. Ein Tourveteran wie T. Jonischkeit gibt nicht einfach auf und die Bedingungen waren viel zu gut, als dass ein Boot hätte vollschlagen können. Soviel war klar, überholt hatten wir sie nicht und auf dem GPS waren sie nicht. Abermals zusammenreißen! Nicht fragen, rudern!
Inzwischen war die Dämmerung hereingezogen und es wurde feucht und kühl. Als ich auf den Steuerplatz kam, wies Stefan noch auf die veränderten Verhältnisse hin und riet mir die Jacke anzuziehen. Ich entschied mich dafür die Jacke offen zu lassen, schließlich fühlte sich alles noch so warm an. Offensichtlich verlor ich in der Anspannung das Gefühl für die Temperatur. Dieses kehrte beim letzten Wechsel schlagartig wieder und mein ganzer Körper begann unkontrolliert zu zittern. Die nächsten Minuten waren ein verrücktes Schauspiel. Wie ein alter, einst stillgelegter Motor, den man nach einem Kaltstart zur Volllast zurück bringt. Das Boot vibrierte, die Manschetten der Skulls rappelten in den Dollen, Gott weiß wie sich der Durchzug für die Mannschaft angefühlt hat. Von Fehlzündungen sei hier besser nicht gesprochen, da dies gar falsche Assoziationen hervorrufen könnte.
Nach wenigen Minuten rannte unser Boot wieder voll und rund auf allen vier Pötten. Wir preschten dem Ziel entgegen. Das Gefühl, welches man dabei hat, lässt sich hier kaum in Worte fassen. Ein Boot, das rennt wie ein Hase auf Redbull, wenn er von einem Adler attackiert wird und eine Mannschaft die weiß, dass der ganze Leistungsdruck gleich mit einem Mal von den Schultern fällt und man sich dann entspannen kann. Doch was war das? Kaum hatte Uli „noch 750 Meter“ vom Steuerplatz gerufen, hallte ein Knall durch die Genfer Bucht. Da wir uns nicht im Wilden Westen sondern in Genf befanden, war klar, hier schießt nicht irgendein wild gewordener Cowboy mit nervösem Finger sinnfrei in die Luft. Das muss ein Salutschuss für das erste Boot gewesen sein! Wie konnte die Rheinpfeil denn aus dem Nichts auftauchen? Klar, die Positionsleuchte vor dem Lichtermeer von Genf auszumachen wäre ein Ding der Unmöglichkeit, aber kein GPS Signal? Hier half kein Zedern, kein Debattieren sondern nur die Ziellinie zu erreichen, um Gewissheit zu bekommen.
Wie viel Euphorie und Freude trotz der Vermutung, es habe nicht für Platz 1 gereicht, aufkam, zeigte sich bei der Überquerung der Ziellinie. Voller Jubel hörten wir Uli auf dem Steuerplatz viel zu spät. Erst in der letzten Sekunde verhinderten wir einen Frontalaufschlag in den aus mannsgroßen Granitblöcken bestehenden Schutzwall des Genfer Hafens. Wir kamen so dicht leicht schräg vor dem Wall zum Stehen, dass wir uns zunächst abstoßen und rückwärts rudern mussten, um die Fahrt in den Hafen antreten zu können.
In dem Hafen kam dann die Entschädigung für die Verfehlung des ersten Platzes. Allein der unvergessliche Blick der gegnerischen Mannschaft als auch der ungläubig klingende Ausruf „Ach IHR wart das!?“, als sie uns „Hobbyruderer“ am Steg ankommen sahen, während sie gerade erst ihr Boot aus dem Wasser gehoben und in Böcke abgelegt hatten, war mehr wert als alle gegenseitigen Glückwünsche. Offenbar hatten wir überrascht! Eine Mannschaft, die scheinbar nur aus einem kleinen Mann, einem großen Ruderer der irgendwie nicht in die Mannschaft passt, einem der einfach nur nett ist, einem waschechten Bären und einem fast wahnsinnigen Beißer besteht, sorgt plötzlich nochmal für Dampf nach hinten raus. Was Freundschaft und Zusammenhalt in so einem Boot doch alles ausmachen kann! Allein diese Überraschung war es wert! Ein Bonbon war schließlich noch das Zusammentreffen mit der Mannschaft aus Vevey. Argh zermartert fragten Sie uns, ob der Distanz die wir im Schlussspurt noch zwischen sie und uns gebracht hatten: „Macht ihr das etwa öfter?“. Ein schönes Kompliment von einer Mannschaft voller Männer mit definierten muskulösen Körpern.
Schlussendlich sagten die Zahlen 12:14.11 für die Rheinpfeil, mit 5:09 min dahinter die Düsseldorf mit uns Recken, die ein weiteres mal die Vereinsrekorde von KCfW, NRG und GTRVN ein wenig nach oben geschraubt haben. Überraschend weit abgeschlagen folgte Vevey mit 12:31:56 und völlig beeindruckend auf dem vierten Platz mit 12:41:29 der nur auf drei Pötten laufende Jet’d Eau, der seinen Sieg in der Mastersklasse beeindruckend gegen die zu Beginn sehr starken Ludwigshafener, die mit 12:53:00 die Linie überquerten, verteidigen konnte.
Mal wieder eine Regatta der Spitzenklasse, die richtig Spaß gemacht hat! Vielen Dank an die Mannschaft für dieses Rennen. Nächstes Jahr wieder!? Wir werden sehen, was die Zukunft bringt. 😉
von Markus Müller (GTRVN Neuwied)